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Fünf Jahre nach der Gründung von anflow records im Oktober 2020 und sieben Alben später ist es Zeit für eine Zwischenbilanz. CD-Alben sind mittlerweile auf den Status eines Merchandise-Artikels geschrumpft: der geneigte Konzertbesucher hat zunehmend keinen CD-Player mehr und mit dem Verschwinden der CD-Player im Auto ist die letzte Bastion gefallen… Streaming ist das aktuell beliebteste Hörerinnen- und Hörer-Modell und auch ich würde mich da nicht ausnehmen. Es ist schon ein großer Luxus, wenn ich beispielsweise nach einer interessanten Jazz-Sendung direkt vertiefend Alben von frisch entdeckten Musikerinnen und Musikern hören kann...

In meiner Anfangszeit als Jazzmusiker musste ich dafür erstmal in ein Plattengeschäft gehen und das gewünschte Album bestellen, gerade bei noch nicht so bekannten Künstlerinnen und Künstlern. Oder reaktionsschnell den Cassettenrecorder/die Bandmaschine starten...Verfügbar war damals ausschließlich Vinyl und auch vereinzelt Cassette. Es folgten oftmals mehrere Wochen Wartezeit, bevor das Album dann endlich eintraf. Darüber lässt sich trefflich philosophieren… Welcher Weg ist der bessere? Sofortige Verfügbarkeit oder eine längere Wartezeit mit Vorfreude auf den Moment, wenn man das Vinyl-Album endlich in den Händen hält und das Ritual des Hörens beginnt: Platte auflegen, Arm auf den Plattenteller legen, anfängliches leichtes Knistern, bevor dann die Musik den Raum flutet…

Für mein Klein- und Nischen-Label habe ich beschlossen, dass dies der Weg sein könnte, zukünftige Alben vielleicht doch noch kostendeckend zu veröffentlichen, was mit den herkömmlichen CD-Alben nicht mehr gelingt. Zumal dem analogen Klang mehr Wärme bescheinigt wird, so dass es immer mehr Vinyl-Fans gibt. Da dies allerdings immer noch ein erlesener Kreis sein dürfte, rückt neben dem Konzertverkauf auch der Direktverkauf via Website wieder in den Fokus. Ob dies gelingt, wird die Zukunft zeigen…

Der Einstieg in die Vinyl-Welt erfolgt 2026 mit der Veröffentlichung des Albums „Schwebend“ meines European Quartetts. Die Band ist ein echter Glücksfall: in der ersten gemeinsamen Probe passte es sofort! Als ob wir uns schon seit Jahren kennen… Auf unseren Pianisten Tilman Günther trifft letzteres auch zu: wir spielen schon seit mehr als drei Jahrzehnten zusammen. Er ist auf etlichen meiner Alben zu hören und ist mit vielen meiner Songs bestens vertraut.

Nach wie vor sind aus meiner Sicht eigene Alben ein wichtiger Schritt in der künstlerischen Entwicklung. Vinyl scheint mir dafür mittlerweile das bessere Medium zu sein. Schon durch die technisch begrenzte Laufzeit einer Langspielplatte (idealerweise etwa 20 Minuten pro Seite, sonst leidet die Audio-Qualität) steigt die Chance, dass der geneigte Zuhörer in einer immer dichter werdenden, durchgeplanten Welt Zeit findet, ein Album vollständig anzuhören und auch die künstlerische Gestaltung nachzuempfinden. Gepaart mit dem bereits oben beschriebenen Ritual des Plattenauflegens kann dies eine Oase der Entspannung sein, ein zur Ruhe kommen und eine kleine Auszeit in unserer hektischen Welt bedeuten.

Die Weiterentwicklung lässt sich allerdings nicht aufhalten und so bleibt auch die digitale Vermarktung via Streaming-Plattformen fester Bestandteil meines Labels. Auch wenn dies in der Nische Kleinlabel mit Schwerpunkt Jazz praktisch keine Einnahmen generiert (diese fließen fast ausschließlich an die Major-Labels) trägt dieser Vermarktungsweg zumindest dazu bei, dass Zuhörerinnen und Zuhörer zu einem Konzertbesuch motiviert werden können.

Für neue Alben auf meinem Label bleibt damit festzuhalten: das CD-Album ist Vergangenheit, es lebe die noch ältere Vergangenheit mit der Wiederbelebung der Vinyl-Alben! Und ich bin wieder am Anfang: meine ersten Alben waren reine Vinyl-Alben, u.a. das Erstlingswerk Answerin' meines damaligen saarländischen Quartetts Rebop, welches damals nur als Vinyl-Album erschienen ist und nach wie vor nicht digital erhältlich ist...

Florian Döling, im Oktober 2025